WIE EIN VEREIN IN OBERBAYERN DAFÜR SORGT, DASS HEIMISCHES HOLZ AUCH IN ZUKUNFT EINE GROSSE ZUKUNFT HAT.

Hätte man die Waldbesitzer, Säger, Weiterverarbeiter, Holzhändler, Zimme­rer, Architekten und kommunalen Bauherren der fünf Landkreise Rosenheim, Berchtesgadener Land, Traunstein, Mühldorf und Altötting noch vor Kurzem gefragt, ob sie sich jemals vorstellen könnten, einmal im selben Verein mitzumachen, wäre die Antwort wahrscheinlich ein allgemeines Kopfschütteln gewesen. Das hat sich geändert mit der Gründung des Vereins „Wir bauen auf heimisches Holz e.V.“. Weil gute Zusammenarbeit einfach schlauer ist.

 

Wie so oft wurde „schlau“ aus Umständen geboren, die es nötig machten, Dinge schlauer anzugehen als zuvor. Im Falle der Zimmerer waren es die dramatisch gestiegenen Kosten für Holz auf dem Weltmarkt.

Tatsächlich ist die bayerische Holzwirtschaft abhängiger von der Weltwirtschaft, als man im ersten Moment glauben würde. Für bestimmte Kapazitäten oder Spezifikationen waren (und sind) die heimischen Zulieferer oft schlicht zu klein oder technisch nicht in der Lage. Bedeutet: das Holz und die Bauteile kommen von irgendwo her, nur nicht aus der Region. Zweitens zwingt die Abhängigkeit vom Weltmarkt die Säger und Zimmerer, bei den Weltmarktpreisen mitzugehen – und die haben sich während der Coronakrise für manche Produkte verdoppelt. Auch wenn die regionalen Zulieferer theoretisch einspringen und so den Preisdruck reduzieren könnten, ist das in der Vergangenheit oft wegen fehlender technischer Möglichkeiten gescheitert. Diese zu schaffen, etwa durch neue Maschinen, bedeutet in jedem Fall ein größeres Investment, welches Betriebe nur dann eingehen, wenn sie einigermaßen sicher sein können, dass sie sich aufeinander verlassen können, wenn die Weltmarktpreise wieder sinken.

„Die Waldbesitzer betreiben seit Jahrhunderten nachhaltige Waldwirtschaft. Der Wald produziert den Rohstoff Holz hier in der Region. Mit der fachlichen Arbeit von Waldbauern, sei es durch Entnahme von alten Bäumen oder der wichtigen sorgfältigen Pflege, wird gewährleistet, dass Jungbäume zukunftsfähig wachsen können; für die nächsten Generationen sowie als wertvoller CO2-Speicher. In alten Bäumen bleibt CO2 gebunden, wenn es verbaut wird. Das ist perfekter regionaler Klimaschutz!“

// Alois Kalteis //
1. Vorsitzender der Waldbesitzer-
Vereinigung Rosenheim

„Wir haben schon das ­Gefühl, dass wir durch den Verein den einen oder anderen Auftrag mehr ­bekommen. Man traut sich wieder, über den ­Tellerrand hinaus zu schauen, und hat eine bessere ­Perspektive für die ­Zukunft.“

// Georg Baumgartner //
Holzwerk Baumgartner

Und zu guter Letzt: Sehr viel bayerisches Holz wird aus der Region heraus verkauft, ­anstatt direkt in der Region verarbeitet zu werden. „Was völlig in Ordnung ist, weil z. B. in Südostoberbayern derzeit gar nicht so viel Holz eingeschnitten werden kann, wie aus dem Wald nachhaltig entnommen werden könnte.“, so Jorun Klinger-Illner, 1. Vorstandsvorsitzende des Vereins „Wir bauen auf heimisches Holz e.V.“. „Aber wenn es uns gelingt, dass die Sägewerke und Betriebe hier vor Ort ihre Kapazitäten hochfahren, dann ist auch der Forst bereit, mehr Holz in der Region zu behalten. Was im Sinne einer nachhaltigen Wertschöpfungskette für alle ein Gewinn wäre.“

Alle diese Punkte sind nicht neu. Was allerdings neu ist, dass sich 2022 mit dem Verein „Wir bauen auf heimisches Holz e.V.“ schlaue Menschen vom Fach zusammengeschlossen haben, um sie gemeinsam anzugehen. Die Gründungsgeschichte des Vereins geht dabei auf das Jahr 2021 zurück, als rund 40 Interessenten aus Forst und Holz mit einem „Letter of Intent“ eine allgemeine Zusammenarbeit befürworteten. Unterstützt wurden die Initiatoren im weiteren Verlauf von Michaela Kaniber, der bayerischen Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Im Frühjahr 2022 nahmen rund 200 Branchenprofis an einem Beteiligungsprozess teil, moderiert von der Firma nonconform ideenwerkstätten, um Ideen zu sammeln und die Aufgaben des zu gründenden Vereins zu formulieren. Das Ergebnis: die Akteure entlang der Wertschöpfungskette Forst und Holz bis hin zu Architekten, Bauträgern und Kommunen in Südostoberbayern sollen durch den Verein verknüpft und ermutigt werden, verstärkt auf heimische Rohstoffe zu setzen und durch regionale Holzverwendung zu mehr Klima- und Ressourcenschutz beizutragen.

 

„Das Wichtigste dabei ist Vertrauen“


sagt Jorun Klinger-Illner. „Damals, bei einem der ersten Treffen im Juni 2021, saßen die ­Vertreter vom Forst, die Säger und die Zimmerer mit verschränkten Armen und heruntergezogenen Mundwinkeln da. Das ganze erste Jahr war eigentlich eine riesige vertrauensbildende Maßnahme, damit man überhaupt zusammenarbeitet. Überspitzt könnte man zu damals sagen: Für die Zimmerer ist Holz eckig, für den Forst ist Holz rund und niemand von ihnen interessiert sich wirklich dafür, was danach oder davor damit passiert. Und nur aufgrund des Vertrauens haben die Akteure der Wertschöpfungskette dann gesagt: ‚Hey, ich bin dabei. Das ist das einzig Richtige, nur so können wir alle zusammen überleben.‘ Und später kamen dann so Sätze wie: ‚Das ist ja Wahnsinn, wie das funktioniert, so gut haben wir seit 30 Jahren nicht miteinander geredet.‘“

„Als Hersteller von Kon­struktionsvollholz sind wir in der Wertschöpfungskette zwischen den Sägewerken und den Zimmereibetrieben. Durch den Verein lernen sich alle Beteiligten besser kennen, das Verständnis wächst – und in meinen Augen stärkt das die Verlässlichkeit in einem ­volatilen Markt.“

// Josef Huber //
Huber & Sohn

„Am Baustoff Holz führt kein Weg vorbei. Weil Holz besondere ­Ansprüche an die Planung stellt, ist es wichtig, sich untereinander auszu­tauschen. Genau dazu ist der Verein da.“

// Catherina Wagenstaller //
Guggenbichler + Wagenstaller

Mittlerweile ist der Verein branchenweit anerkannt, aufs Beste vernetzt und die Zahl der Mitglieder wächst stetig. In zahlreichen gut besuchten Veranstaltungen wurden und werden seit der Gründung die vielen unterschiedlichen Aspekte im Holzbau und der Kreislaufwirtschaft mit Holz beleuchtet, unter reger Einbindung von Profis aus den Kommunen, Praktikern aus den Betrieben und dem Forst, Architekten, Planern, Forschern und Strategen – hier entstehen außerdem viele neue Partnerschaften und Netzwerke. Auch die Kooperation mit Hochschulen und Architekten wird ständig intensiviert. Denn neben der großen Aufgabe, die Zusammenarbeit der Holzprofis zu verbessern und ihnen mit handfestem Know-how zur Seite zu stehen, ist die zweite große Herausforderung, den Holzbau in der Region voranzutreiben. Als nachwachsender Rohstoff kann Holz einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten, es lässt sich wunderbar verarbeiten und passt als Baumaterial perfekt nach Oberbayern.

„Für unseren Verein ist es dabei wichtig, sich auf das zu fokussieren, was wir in der Region herstellen können“, betont Jorun Klinger-­Illner. „Wichtig ist, die Kapazitäten unserer Säger zu nutzen, wo es geht. Im Holzhausbau, bei Aufstockungen oder Nachverdichtung können wir regional viel bieten. Holz ist ein leichtes Material, das sich optimal für so eine Aufstockung auch im städtischen Kontext eignet. Beim mehrgeschossigen Holzbau Richtung Hochhaus z. B. sind wir trotz allem auf Ab- und Zuflüsse von außerhalb der Region angewiesen, genauso wie die Verwendung anderer Baumaterialien an den Stellen, an denen sie Vorteile gegenüber Holz haben.“

„Gerade in Städten wie München könnten wir überall noch ein Geschoss draufsetzen. Und das geht wunderbar mit Holz aus der Region.“

 

Bei vielen Städten und Kommunen, Bürgermeistern und Gemeinde­räten rennt der Verein mit seinen Ideen offene Türen ein. Aber wie sieht es bei den Architekten aus? Hier bleibt laut Jorun Klinger-Illner noch einiges zu tun. „Der Holzbau hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten extrem weiterentwickelt. Diese Entwicklung hat viele Herausforderungen. Ein Hauptfokus liegt darin, dass ein Holzgebäude sehr aufwendig in der Planung ist, aber schnell im Bau. Das bedeutet, dass die Arbeit der Architekten im Vergleich zu anderen Baumaterialien sehr intensiv ist. An der Technischen Hochschule Rosenheim werden Holzbau-Ingenieure ausgebildet, die den Baustoff bestens kennen. An der Technischen Universität München arbeitet man ebenso intensiv an der Fokussierung auf den Baustoff Holz. Koryphäen wie Architekt Professor Herman Kaufmann oder Prof. Dr.-Ing. ­Stefan Winter investieren viel in die Ausbildung der jungen Architekten und Bauingenieure. Aber in der Fläche trauen sich viele Architekten nicht an den Holzbau, da er viele Herausforderungen birgt, die man kennen muss. Hierzu gibt es inzwischen eine unabhängige kostenlose Holzbau-Fachberatung, die Planer und Architekten unterstützen soll.“

 

„Durch den Verein wird Holzbau bekannter, das ist auch gut für ­unseren Betrieb. Und ganz praktisch sparen wir Zeit in der Planung und kommen schneller zum Erfolg!“

// Franz Wörndl //
Holzbau Wörndl

„Durch den Verein wächst das Verständnis der ­Akteure der Wertschöpfungskette zueinander und es bilden sich wertvolle Netzwerke. Am Ende führt das zu einer ­Zusammenarbeit, die gut ist für die Kommunen und die gesamte Region.“

// Christoph Vodermaier //
Bürgermeister von Riedering

Ein Netzwerk für Architekten

 

Für Vereinsmitglied Architektin Catherina Wagenstaller ist Holz jedenfalls schon jetzt das Material der Wahl. „Ich glaube, alleine der Nachhaltigkeit wegen führt gar kein Weg am Holz vorbei. Holz stellt allerdings bis ins Detail ganz spezielle Anforderungen.“

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und das Wissen um Holz und seine Verarbeitung zu vertiefen, baut der Verein gerade ein Netzwerk von Architekten auf. So soll das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass auch die Architekten einen wichtigen Part im Wertschöpfungskreislauf spielen und aufgerufen sind, schon in der Planung zusammen mit den heimischen Sägern schlaue Lösungen zu entwickeln, die dann in der Region verwirklicht werden können.

„Ein Holzhaus, dessen Hölzer um die halbe Welt gereist sind: das ist für mich einfach nur Greenwashing. Daran stört mich so ziemlich alles“, so Catherina Wagenstaller. „Im Kern geht es um viel mehr: um die Weiterführung einer Tradition. Schließlich ist Holz nicht ohne Grund einer der ältesten Werkstoffe der Welt, nicht nur bei uns in Bayern. Das sollte man nicht verwechseln mit Rückschrittlichkeit. Tradition bedeutet nicht, dass wir die Zeit wieder zurückdrehen wollen. Es geht nicht um die Weitergabe der Asche. Sondern im Gegenteil: die Weitergabe des Feuers.“

Wer mehr über den Verein „Wir bauen auf heimisches Holz e.V.“ ­erfahren will, schaut hier: wir-bauen-auf-heimisches-holz.de